Die Qual der Wahl – welches Rad eignet sich für das Bikepacking?

Bikepacking vs. Radreisen – Was sind die Unterschiede? Du liest Die Qual der Wahl – welches Rad eignet sich für das Bikepacking? 12 Minuten Weiter Welches Zelt für Bikepacking?

Der Fahrradmarkt hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Zwischen all den Neuentwicklungen die von den Radherstellern angepriesen werden, ist es gar nicht so einfach den Überblick zu behalten. Deshalb wollen wir dir bei der Beantwortung der Frage helfen, welches Fahrrad das richtige für deine kleineren und größeren Bikepacking-Abenteuer ist und welche Fragen Du dir bei der Auswahl deines Rads stellen solltest. 

Das richtige Rad für lange Strecken?

Beim Bikepacking sitzt du oftmals die meiste Zeit des Tages im Sattel und legst lange Strecken zurück. Vor allem unerfahrene Radfahrer wählen deshalb instinktiv ein Rennrad für ihre ersten Touren aus, da man damit verbindet, schnell voranzukommen. Dies kann allerdings schmerzhaft enden, da die Sitzposition auf einem Rennrad eher gestreckt und sportlich ist, was nach einiger Zeit im Sattel zu Übermüdung und sogar Schmerzen führen kann - zum Beispiel im Nacken, im Rücken oder an den Handgelenken. Damit Bikepacking für dich Genuss statt Quälereien bedeutet, gilt deshalb der Grundsatz: Das richtige Rad für lange Strecken ist vor allem das, auf dem du beschwerdefrei auch über viele Stunden sitzen kannst. Außerdem sollte das Fahrrad zuverlässig und bei Bedarf vor dem Beginn deines Abenteuers noch einmal beim Check-up gewesen sein, denn neben Schmerzen beim Radeln sollten Pannen und technische Probleme im Idealfall kein Teil deines Trips sein.

 

Kann ich mein vorhandenes Rennrad / Mountainbike für das Bikepacking verwenden?

 

Kurz und knapp – die Antwort lautet: Jein!

Natürlich ist es ein naheliegender Gedanke, ein bereits vorhandenes Rad auch für das Bikepacking zu verwenden. Das schont nicht nur Ressourcen, sondern auch deinen Geldbeutel. Außerdem bist Du dir bestimmt auch noch nicht zu 100 Prozent sicher, ob Bikepacking wirklich ein riesiges Hobby von dir wird, was im Zweifelsfall eine Neuanschaffung eines Fahrrads eventuell sinnlos machen würde. Trotz allem solltest Du dir im Voraus Gedanken darüber machen, inwiefern dein vorhandenes Rad auch für dein Bikepacking-Abenteuer geeignet ist.  

Wie nutze ich mein Rad bisher?

Zuerst solltest Du dir überlegen, wie die bisherige Nutzung deines Rads aussieht und wie du dir deinen Bikepacking-Trip vorstellst. Bist Du bisher Touren von höchstens 2 Stunden Dauer gefahren und willst bei deinem Trip täglich ungefähr 6 Stunden radeln? Dann solltest Du dies zunächst (ansatzweise) testen, um herauszufinden, ob Du über einen längeren Zeitraum bequem auf deinem Rad sitzen kannst.

Was habe ich bei beim Bikepacking vor?

Als nächstes solltest Du dir Gedanken über die Wegführung deines Bikepacking-Abenteuers machen: Möchtest Du abgelegene Pfade erkunden und weit weg vom Autoverkehr unterwegs sein? Dann wirst du nicht weit kommen, wenn du ein Rennrad mit schmalen Reifen hast, da Du sicher mit Schotter- und vielleicht sogar Wanderwegen auf deiner Route rechnen musst. Hier müsstest Du darüber nachdenken, dir ein Mountainbike oder Gravelbike anzuschaffen, welche dafür besser geeignet sind. Dein Rennrad eignet sich aber hervorragend, wenn Du vorzugsweise auf Straßen und asphaltierten Radwegen unterwegs bist.

Ich habe schon ein Rennrad. Was muss ich beachten?

Hier kann ein Rennrad seine Stärken voll ausspielen: Durch die sportliche, gestreckte Haltung erzeugst Du wenig Luftwiderstand und die schmalen Reifen mit wenig Profil sind für einen geringen Rollwiderstand verantwortlich. Dadurch kommst Du schnell voran, wenn Du das möchtest- oder aber bewegst dich langsamer voran und sparst dadurch die Power in deinen Beinen, die Du bei einer Tour über mehrere Tage sicherlich gut gebrauchen kannst.

Rennrad mit Felgenbremsen

Lange Zeit war es Standard, dass Rennräder über eine Felgenbremse verfügen. Dieses System spart Gewicht und Herstellungskosten und erzeugt außerdem einen sehr geringen Wartungsaufwand. Felgenbremsen sind hauptsächlich für Bikepacking-Trips zu empfehlen, die über eher flaches bis hügeliges Terrain führen. Denn neben der vergleichsweise geringen Bremskraft ist die Hitzeentwicklungen bei längeren Abfahrten, bei denen Du viel bremsen musst,  ein Nachteil von Felgenbremsen.

Rennrad mit Scheibenbremsen

Seit einigen Jahren werden (wie bei Mountainbikes) Scheibenbremsen der neue Standard an Rennrädern. Diese sind zwar vergleichsweise schwer, teuer in der Herstellung und mit relativ hohem Wartungsaufwand verbunden, haben ihre Vorteile dafür aber bei den oben genannten Nachteilen der Felgenbremse: Im Vergleich ist die Bremskraft der Scheibenbremsen größer. Dies hat zum einen Vorteil in Bezug auf deine Sicherheit im Verkehr, schont auf der anderen Seite aber auch deine Finger, da Du mit weniger Kraft an deinen Bremshebeln ziehen musst- was bei langen Abfahrten einen spürbaren Unterschied macht. Genau diese Eigenschaften machen Rennräder mit Scheibenbremsen zum perfekten Begleiter, wenn deine Tour über bergiges Terrain führen soll und du auch auf langen Abfahrten keine Sorgen haben möchtest, trotz deiner schweren Ausrüstung am Rad sicher im Tal anzukommen.

Und was ist mit meinem Mountainbike?

Mountainbikes eignen sich grundsätzlich für alle Formen von Bikepacking. Sie sind robust, verfügen über griffige und zuverlässige Bremsanlagen, bieten dank breiter Bereifung mit Profil sowohl genug Traktion als auch Pannenschutz und sorgen mit ihren Federelementen für ein gewisses Maß an Komfort- auch in ruppigem Gelände. All diese Vorteile bringen allerdings auch einschränkende Auswirkungen mit sich: Mountainbikes bringen meist mehr Gewicht auf die Waage als Rennräder, die groben Reifen führen zu einem erhöhten Rollwiderstand und der Wartungsaufwand (z.B. für die Federelemente) liegt höher als dies bei Rennrädern der Fall ist. Bikepacking mit dem Mountainbike macht also vor allem dann Sinn, wenn Du vor hast abseits von befestigten Straßen unterwegs zu sein und voll in die Natur einzutauchen.

Hardtail-Mountainbikes vs. Fully-Mountainbikes

Mountainbikes, die eine Federgabel (aber keinen Dämpfer im Rahmen) verbaut haben, eignen sich besonders für Forstwege und nicht zu anspruchsvolle Trails. Dabei profitierst Du von dem Komfortgewinn eines gefederten Vorderrads und der Gewichtsersparnis des ungefederten Rahmens. Außerdem steht dir im sogenannten „Rahmendreieck“ mehr Platz für Trinkflaschen und Bikepacking-Taschen zur Verfügung. Vollgefederte Mountainbikes sind im Gelände nochmals komfortabler zu fahren, da sie Unebenheiten effizient abfedern. Vor allem auf Wegen die viele Wurzeln oder sogar Stufen enthalten, ist dies mit zunehmender Dauer deiner Fahrt ein absoluter Gamechanger und kann über Qual oder Genuss entscheiden. Für diese Vorteile nimmst Du allerdings in Kauf, dass das zusätzliche Federelement ein höheres Gesamtgewicht deines Rads zur Folge hat, den Wartungsaufwand erhöht und dich in den Möglichkeiten des Transports von Flaschen oder Bikepacking-Taschen einschränkt.

 

Das Beste aus zwei Welten – ist das Gravelbike das perfekte Bikepackingrad?

Gravelbikes sind eine relativ neue Sparte an Fahrrädern und liegen seit einigen Jahren voll im Trend. Vor allem bei Radfahrern, die auch Bikepacking betreiben erfreuen sich Gravelbikes großer Beliebtheit. Übersetzt man die Bezeichnung ins Deutsche, so verrät der Name „Schotterrad“ schon einiges über den Verwendungszweck der Bikes.

Weshalb sind Gravelbikes so beliebt?

Gravelbikes sind eine Mischung bzw. ein Kompromiss zwischen einem Rennrad und einem Mountainbike. Zwar sehen die Räder zunächst aus wie gewöhnliche Rennräder, die Unterschiede sind bei genauerer Betrachtung aber deutlich. Mit der Erfindung von Gravelbikes hat die Radindustrie auf den Wunsch der Kundschaft nach Vielseitigkeit reagiert. Der Traum von „dem einen Bike für alles“ ist für viele Radfahrende in Erfüllung gegangen, weil sie sich nicht mehr bei jeder Tour entscheiden müssen, ob sie nun auf oder abseits von asphaltierten Wegen unterwegs sein möchten- da das Gravelbike beides kann. Neben diesem neuen Freiheitsgefühl bieten Gravelbikes völlig neue Möglichkeiten des Reisens auf dem Fahrrad.

Die Rahmengeometrie von Gravelbikes

Zwar ähneln die Rahmen von Gravelbikes denen von Rennrädern, allerdings sind auf den Verwendungszweck angepasste Anpassungen getätigt worden. Zum einen sind die Rahmen von Gravelbikes tendenziell kürzer gehalten, sodass Du eine entspanntere, aufrechtere Sitzposition einnehmen kannst. Um diesen Effekt noch zu verstärken, besitzen Gravelbikes längere Steuerrohre, die den Lenker weiter nach oben wandern lassen. Um die Kontrolle über das Rad auf unbefestigten Wegen zu erhöhen, sitzt das Tretlager bei Gravelbikes tiefer als bei Rennrädern, was den Schwerpunkt auf dem Rad tiefer verlagert. Da der Fokus im Rahmenbau bei diesen Bikes mehr auf Stabilität anstatt auf Gewichtsoptimierung liegt, sind Rahmen von Gravelbikes meist schwerer als die von klassischen Rennrädern.

Breite Auswahl an Möglichkeiten bei der Reifenwahl

Ein großer Vorteil von Gravelbikes ist die Möglichkeit, verschiedenste Arten der Bereifung zu montieren. Für Touren auf asphaltierten Wegen kannst Du schmale Rennradreifen mit sehr wenig Profil aufziehen, um leichter voranzukommen und Kraft zu sparen. Hast Du bei deinem Bikepacking-Trip vor, auf unbefestigten Straßen unterwegs zu sein, kannst du breitere Reifen mit mehr Profil montieren, die dir Komfort, Grip und Pannenschutz gewährleisten.

Antrieb – eine Frage des Vorankommens…

Die Frage nach der richtigen Übersetzung ist eine der Schlüsselfragen beim Bikepacking. Du solltest dir überlegen, ob deine Route steile Anstiege beinhaltet, die voraussetzen, dass Du ausreichend kleine Gänge einlegen kannst, um dein Rad nicht den ganzen Berg hinauf schieben zu müssen. Bedenke dabei auch das Zusatzgewicht durch dein Gepäck. Bei der Auswahl des Antriebs haben sich vor allem Systeme etabliert, die vorne nur ein Kettenblatt besitzen und dafür eine Kassette mit 12 oder sogar 13 Ritzeln verbaut haben. Dadurch bist Du für alle Anstiege mit dem richtigen Gang ausgestattet und verringerst den Wartungsaufwand durch das Einstellen der Schaltung.

An fast allen Gravelbikes sind Scheibenbremsen verbaut, welche auch auf langen, steilen Abfahrten ein sicheres Bremsverhalten zeigen. Außerdem verfügen sie über eine vergleichsweise hohe Bremskraft bei geringerem Krafteinsatz von deinen Händen. Da Du beim Bikepacking mit einem relativ hohen Systemgewicht unterwegs bist, solltest Du darauf achten, dass Du die Bremsen nicht dauerhaft schleifen lässt sondern punktuell stärker bremst. Ansonsten können deine Bremsen überhitzen und im schlimmsten Fall beschädigt werden.

Vorteile von Gravelbikes für das Bikepacking

Dass Gravelbikes so vielseitig sind wie kein anderes Fahrrad dürfte dir mittlerweile klar geworden sein. Aber vor allem bezogen auf das Bikepacking haben die Radhersteller in den letzten Jahren einige sehr nützliche Weiterentwicklungen umgesetzt, die Du bei deinem Abenteuer lieben wirst. Durch die steigende Beliebtheit von Bikepacking und der großen Verbreitung von spezifischen Taschen und Halterungen, wurden in den Gravelbike-Rahmen Möglichkeiten der Befestigung integriert. Zum einen erfolgte dies durch speziell geschützte Bereiche des Rahmens, durch die ein Scheuern der Taschen an der Lackierung des Rahmens verhindert werden soll. Zum anderen wurden in den Rahmen oftmals Gewinde und Schrauben integriert, die eine Befestigung verschiedenster Halterungen für Trinkflaschen und/oder Taschen ermöglichen.

Was ist der Unterschied zwischen Gravel und Cyclocross?

Während Gravelbikes auf Vielseitigkeit und vergleichsweise entspanntes Radfahren auf eher langen Strecken ausgelegt sind, sind Cyclocross-Bikes absolute Rennmaschinen. Diese Räder wurden für die Radsportdisziplin Cyclocross entwickelt und sind darauf ausgelegt, auf den spezifischen Strecken dieser Disziplin möglichst schnell zu fahren.

Bei genauerer Betrachtung lassen sich deutliche Unterschiede zwischen Gravelbikes und Cyclocross-Bikes erkennen. Die Rahmengeometrie von Cyclocross-Bikes ist deutlich aggressiver, was zu einer deutlich stärker gestreckten Sitzposition führt als die von Gravelbikes. Außerdem liegt das Tretlager höher, um auf den Cyclocross-Strecken eine größere Bodenfreiheit zu gewährleisten – was sich ungünstig auf die Laufruhe des Rads auswirkt. Des Weiteren sind die Rahmen von Cyclocross-Bikes auf Reifen von maximal 35mm Breite ausgelegt, wodurch deutliche Komforteinbußen im Vergleich zu Gravelbikes zustande kommen. Relevant für das Bikepacking ist außerdem, dass bei Cyclocross-Bikes auf spezifischen Rahmenschutz oder Befestigungsmöglichkeiten für Taschen verzichtet wird, da bei der Herstellung dieser Räder das Gewicht und Steifigkeit eine übergeordnete Rolle spielt.

Auswahlkriterien für dein Bikepacking-Fahrrad

Wenn Du das Bikepacking einfach mal ausprobieren möchtest, ohne gleich viel Geld in ein neues Rad zu investieren, dann nutze einfach dein vorhandenes Rad. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob das ein Mountainbike, ein Rennrad oder ein Gravelbike ist. Bedenke nur, dass Du deine Route so planen solltest, dass sie zu deinem Fahrrad passt. Wenn du zum Beispiel mit deinem vorhandenen Rennrad in das Abenteuer Bikepacking starten möchtest, solltest Du dich bei der Routenplanung an Straßen und asphaltierte Radwege halten.

Du möchtest möglichst weit weg vom Autoverkehr und Städten unterwegs sein und voll in die Natur eintauchen? Dann ist ein Mountainbike mit Sicherheit dein treuer Begleiter. Ob Du dabei ein Hardtail- oder Fully-Mountainbike nutzt, hängt a) von deinen persönlichen Vorlieben und b) von deiner geplanten Strecke und deren Wegbeschaffenheit ab.

Das Gravelbike ist das Fahrrad deiner Wahl, wenn Du ein möglichst vielseitiges Rad für das Bikepacking haben möchtest. Es rollt gut auf Asphalt, bringt dich flott und sicher über Schotter- und Forstwege und steckt dank der großen Reifenfreiheit des Rahmens auch leicht fahrbare Trails locker weg. Außerdem wirst Du die Möglichkeit, Taschen und Flaschenhalter fest an verschiedenen Stellen des Rads zu befestigen bei deinem nächsten Bikepacking-Abenteuer zu schätzen wissen.