Was brauche ich beim Bikepacking wirklich?
Da bist du nun. Die erste kleine oder auch große Tour ist geplant und du stellst dein „Equipment“ zusammen. Bei der Auswahl deiner „Unterkunft“ kommt es in erster Linie auf die Jahreszeit, das zu erwartende Wetter und deinen persönlichen Anspruch auf eine Unterkunft an. Anschließend stellt sich die Frage, ob du schon weißt, wo du schlafen wirst und ob du die dort vorhandenen Untergrund- Beschaffenheiten und die Vegetation kennst. Reicht dir ein Tarp, welches du vielleicht zwischen deinem Bike und einem Baum in unterschiedlichsten Formen abspannen kannst, um dich vor Regen zu schützen? Oder bist du bei gutem Wetter unterwegs und möchtest nachts in deinem Biwaksack den Sternenhimmel genießen? Ich persönlich bin immer wieder zurück zum Zelt gekommen und habe dabei die unterschiedlichsten Varianten angesammelt. Angefangen mit einem 1-Mann Zelt aus dem untersten Preissegment von Amazon für 35€, welches mir bei jeder Jahreszeit treue Dienste geleistet hat.
Welche Zeltform ist die beste?
Robust und einfach im Auf- und Abbau hat mein erstes Bikepacking- Zelt an die Dackelgarage der Bundeswehr (ein aus zwei Halbzelten bestehendes Biwakzelt) erinnert. Inzwischen bin ich mit einem ultraleichten Einbogenzelt eines bekannten chinesischen Outdoor- Equipment- Herstellers unterwegs (nicht teuer, aber gut). Es gibt jedoch die unterschiedlichsten Zeltformen (Tunnelzelt, Geodät, Firstzelt, Einbogenzelt, um nur einige zu nennen). Je nach persönlichen Vorlieben und benötigtem Platzbedarf ist da für jeden etwas dabei.
Auf was muss man beim Zeltkauf achten?
Hier solltest du verschiedene, aber in erster Linie persönliche Parameter berücksichtigen. Freistehende Zelte zeichnen sich durch die Eigenschaft aus, dass diese nicht zwingend im Boden verankert werden müssen und daher nahezu überall aufzustellen sind. Die meisten dieser Zelte werden aber erst zu 100% windstabil und wasserabweisend, wenn man sie abspannt. Also brauchst du hier zumindest in der näheren Umgebung irgendetwas zum Fixieren. Das kann dein Bike, aber auch ein Baum, ein Fels oder etwas ähnliches sein. Außerdem gibt es Zelte, die aus einem Innen- und einem Außenzelt bestehen. Bei diesen kannst du im Sommer das Innenzelt aus Netzstoff „nur“ als Moskitoschutz verwenden und das wasserabweisende Außenzelt im Packsack lassen. Bei Regenwetter ist es jedoch nicht so schön, wenn man über das vollgeregnete Innenzelt das Außenzelt spannen muss, um anschließend dann in die „feuchte Bude“ zu kriechen. Deshalb hat der Markt Zelte im Angebot bei denen das Außenzelt zuerst aufgebaut und anschließend das Innenzelt nur noch eingehängt wird. Bei diesen Zelten kannst du bei schlechtem Wetter zum Beispiel auch mal eben schnell unter dem Außenzelt Schutz suchen und das Unwetter vorbeiziehen lassen. Manche Zelte bestechen mit einem geräumigen Vorzelt zum Kochen oder Abstellen deiner Radtaschen. Manche Zelte haben eine angenehme Innenhöhe, sodass du aufrecht sitzen oder dich bequem im Zeltinneren bewegen kannst. Andere Zelte sind eher flach und zeichnen sich durch Ihre Windstabilität aus. Es gibt eine Vielzahl von großartigen Ausstattungsmerkmalen, die beim Zeltkauf berücksichtigt werden können. Ich habe mich im Laufe der Zeit durch verschiedenste Zeltformen und Preisklassen probiert und kann mit absoluter Überzeugung sagen, dass jeder Bikepacker sein eigenes Zelt finden muss. So schläft ein Freund von mir zum Beispiel nur gut und erholsam bei absoluter Dunkelheit und verwendet daher ein Zelt, welches absolut lichtundurchlässig ist. Ich selbst kann das gar nicht. Ich orientiere meinen Nachtschlaf an den Geräuschen der Natur und dem Sonnenstand. Hört man die ersten Vögel, dauert es in der Regel nicht lange bis es hell genug ist, um die Morgenroutine zu starten.
Was sollte ein gutes Zelt haben?
Hier gibt es Schnittstellen in vielen Bereiche. Ein gutes Zelt! Was heißt das eigentlich? Hier kommen einige persönliche Ansprüche an ein gutes Zelt, aber auch qualitative Unterschiede zum Tragen. Für mich sollte ein gutes Zelt ein kleines Packmaß und wenig Gewicht haben, aber dennoch robust und wasserdicht sein. Außerdem nehme ich nachts alles vom Bike mit ins Zelt - Taschen mit Kleidung, Nahrung, Wertgegenständen, usw. Mein aktuell verwendetes Zelt ist mit 1300g inkl. Footprint (Zeltunterlage) und Zeltheringen, Gestänge und Spannseilen aus meiner Sicht sehr leicht. Und auch das Packmaß welches sich je nach Kompression des Packsacks auf die Größe einer 1,0 Liter PET Flasche bringen lässt finde ich schon sehr klein. Das Gestänge hat zerlegt eine Länge von knapp 400mm und ist für mein Empfinden auch sehr handlich. Jetzt mag mein Zelt jedoch für Bikepacking- Anfänger winzig und für Bikepacking- Enthusiasten klobig und schwer erscheinen. So unterschiedlich sind die Ansichten bei solchen Dingen. Mir war wichtig, dass ich ausreichend Platz zum Schlafen habe und mein Gepäck keinen direkten Kontakt mit Schlafsack, Iso-Matte, etc. hat und daher hat mein Zelt neben einem kleinen Vorzelt (reicht vom Platz her gerade so für einen Kocher und etwas Kleinkram) auch noch eine Abside (quasi ein Nebenraum). Außerdem sind im Inneren einige kleine Netztaschen und Haken, damit ich auch in der Dunkelheit meine Brille schnell griffbereit habe. Das Footprint war beim Zelt dabei und ich möchte es nicht mehr missen. Denn mein Zelt ist aus 20D Nylon (ja, auch der Zeltboden). Ein sehr leichtes, aber auch anfälliges Material und daher mehr als ungeeignet für die meisten Untergründe. Das Footprint ist aus etwas dickerem Nylon und taugt auch gut als Unterlage, wenn man mal nur mit Schlafsack und ohne Zelt unterwegs ist. Auch die Zeltfarbe war mir wichtig, denn nicht überall ist das Zelten erlaubt oder erwünscht und deshalb bin ich mit einem nachtblauen Zelt unterwegs. Dieses ist im dunklen nur schwer erkennbar, was es für neugierige Blicke „unsichtbar“ macht.
Welches Zelt ist wirklich wasserdicht?
Nun, das kommt auf das Wetter im Allgemeinen an. Es kann die ganze Nacht regnen und im Inneren des Zeltes bleibt es trocken. Es kann aber auch ein kurzer Schauer dein gesamtes Schlafsetup überfluten. Grundsätzlich sollte das Zeltmaterial wasserabweisend sein, sodass „normaler“ Regen wie bei einer guten Regenjacke einfach abperlt. Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass der Untergrund, auf dem du dein Zelt aufbaust einen Schauer gut ableiten oder versickern lassen kann. Denn was bringt dir ein absolut dichtes Zelt, wenn du plötzlich in einer Pfütze zeltest, weil sich das Regenwasser staut?! Ich empfehle daher, egal für welches Zelt du dich entscheidest, das Teil vorher mal zu Hause zu „bewässern“, um zu schauen, wo die Schwachstellen sind. Wenn es im Inneren mal feucht wird, ist meist ein falscher Aufbau des Zeltes oder fehlende Spannseile schuld. Denn kein Zelt der Welt hat ein gerades Dach oder offene Angriffsflächen für stehende Feuchtigkeit oder Schlagregen. Sicherlich ist bei Dauerregen irgendwann jedes Material so durchnässt, dass es innen anfängt zu tropfen. Aber solange du diese Stelle nicht von innen berührst, bleibt es auch beim „tropfen“. Hast du jedoch liegend oder sitzend im Zelt Kontakt mit der Außenhaut deines Zeltes, kann es rasch zu einer Durchfeuchtung oder einem Rinnsal kommen. Ich selbst habe im Laufe der Zeit ein gewisses System entwickelt, welches mich beruhigt durchschlafen lässt. Vor jeder Tour werden alle Nähte (obwohl diese bei meinem Zelt laut Hersteller dicht sind) zusätzlich imprägniert. Egal ob mit dem billigen Zeug aus dem bekannten Sportartikel-Discounter oder mit dem teuren Zeug, welches es im Outdoor- Fachhandeln gibt. Hier geht es auch eher darum, sein eigenes Gewissen zu beruhigen. Denn wie schon erwähnt, läuft jeder Regen an jedem Zelt ab, solange das Zelt vernünftig aufgebaut und abgespannt wurde. Naja, außer vielleicht bei einem 10 € Popup- Zelt vom letzten Festival. Diese Zelte haben eine andere Daseinsberechtigung.
Wie schläft man am besten in einem Zelt?
Hast du deinen Schlafplatz gefunden, gilt es herauszufinden, ob dieser absolut gerade oder eher leicht abschüssig ist. Ich empfehle nach Möglichkeit einen leicht abschüssigen Schlafplatz. Hier kannst du bei Regenwetter schonmal ausschließen, morgens in einem Teich aufzuwachen. Dann stellst du dein Zelt so auf, dass du mit dem Kopfende leicht erhöht, also hangaufwärts liegen kannst. Seitlich zum „Hang“ zu liegen, empfiehlt sich eher weniger wegen der Gefahr ständig von der Isomatte zu rutschen. Egal ob Seiten-, Bauch-, oder Rückenschläfer, der Kopf gehört immer leicht erhöht, denn niemand schläft gut, wenn einem das Blut in den Kopf steigt oder die Füße kalt werden. Außerdem musst du für dich selbst entscheiden, ob du eher schreckhaft oder unerschrocken bist. Der schreckhafte Typ schläft vielleicht besser mit Oropax, um die zum Teil befremdlichen Geräusche der Natur besser ausblenden zu können. Ich schlafe gerne mit Ohrstöpseln oder auch mit Musik auf den Ohren ein und nehme diese später in der Nacht wieder heraus, um mich dann morgens vom Gesang der Vögel wecken zu lassen. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass man überall dort gut schläft, wo man sich erschöpft und glücklich am Abend niederlässt. Orte, die man nur mit Mühe erreicht oder aus der Not heraus für die Nachtruhe auswählt, sind meist nur Mittel zum Zweck. Also gönne dir (gerade als Bikepacking- Anfänger) den Luxus und suche deinen Schlafplatz schon im Vorfeld bei Komoot oder ähnlichen Outdoor-Apps aus. Oder halte an (auch wenn du eigentlich noch eine Stunde fahren wolltest), wenn du an einem idealen Spot für dein Nachtlager vorbeikommst. Und sollte es sich mal ergeben, nimm ruhig eine Einladung zur Übernachtung in einer Scheune oder im Garten bei an. Dein Bauchgefühl wird dir schon sagen, wer dir sympathisch ist und wem du vertrauen kannst. Es ergeben sich mit etwas Glück schöne Abende in geselliger Runde, oder einfach auch nur ein sicherer Schlafplatz und am Morgen ein frischer Kaffee.
Kann man im Zelt gut schlafen?
Wie schon im Abschnitt zuvor erwähnt, kannst du in einem Zelt wunderbar schlafen, wenn du dich an ein paar grundlegende Dinge hältst. Das Zelt sollte an einem geeigneten Ort vernünftig aufgebaut werden und anschließend räumst du alles hinein, was du für deinen persönlichen Nachtschlaf benötigst. Eine vernünftige Isomatte stellt aus meiner Sicht (neben dem Zelt) die Grundlage für ein gutes Nachtlager dar. Nicht unbedingt, damit sich die Becken- und Schulterknochen gepolstert zur Ruhe betten können, sondern eher, um von unten aufsteigende Kälte vom Körper fernzuhalten. Je nach Jahreszeit kannst du in dein Zelt zuerst eine Rettungsdecke (diese silber-, goldenen Knisterdinger) oder von deinem PKW den Frontscheibenschutz für den Winter reinlegen. Darauf dann deine Isomatte und anschließend den Schlafsack mit oder ohne Inliner. Manch einer schwört auch darauf, die Isomatte mit in den Schlafsack zu stecken. Ich mag das eher weniger, weil es die Bewegungsfreiheit einschränkt, oder du deinen Schlafsack mehrere Nummern größer aussuchen und irgendwie verstauenusst. Eine Wollmütze und ein dickes Paar Socken sind für die Nacht auch nie verkehrt. Selbst im Sommer können die Temperaturen nachts spürbar absinken. Kommt dann noch die Nähe zu einem See, oder zu einem Bachlauf hinzu, kühlst du nachts unnötig aus und kommst am Morgen nur schwer wieder auf Temperatur. Als Kopfkissen (falls du eines benötigst) kannst du zum Beispiel Kleidung in den Packsack deines Schlafsackes stecken und das Ganze dann als Kopfkissen verwenden oder du besorgst dir eines dieser aufblasbaren Kopfkissen aus der Drogerie. Beim Bikepacking ist alles erlaubt, was der Sache dienlich ist. Eine leichte Daunenjacke ist zum Beispiel nicht nur am Abend im Camp, sondern auch in der Nacht im Schlafsack mitunter ganz angenehm. Gut belüftet sollte dein Zelt auch sein, damit die Feuchtigkeit, die dein Körper in der Nacht verliert, gut abziehen kann.
Welches Zelt lässt sich am schnellsten aufbauen?
Ich persönlich bin ein Freund vom Einbogen- Zelt. Diese gibt es in verschiedenen Varianten. Von einer Art Biwacksack mit Kopfbogen bis hin zu geräumigen Zweimann- Firstzelten ist da alles dabei. Mein derzeitiger Favorit ist eine Zwitterlösung und kombiniert verschiedene für mich wichtige Eigenschaften. Grundbauart ist ein Einbogenzelt, jedoch als Es ist auch kein ein- oder zweilagiges Zelt, sondern eine einteilige Kombination. Das hat den Vorteil, dass dieses Zelt sehr schnell aufgebaut werden kann. Du holst es aus dem Packsack, rollst es auf dem Footprint aus, schiebst die Zeltstange einmal komplett durch und steckst zur Arretierung vier Heringe in den Boden. Anschließend wird die Querstange eingeklickt und zwei weitere Heringe in den Boden gesteckt. Fertig. Man kann nun noch weitere Heringe und Spannseile anbringen. Je nach zu erwartendem Wetter. In der Basis steht es aber schon sehr solide und hält „normalem“ Wetter sehr gut Stand. Es gibt natürlich auch Zelte, die ohne Heringe auskommen und daher als freistehende Zelte fast überall relativ schnell aufzubauen sind. Die klassischen Pop-Up Zelte sind natürlich am schnellsten aufgebaut, weil diese nur aus der Packtasche herausgenommen werden müssen und sich anschließend von selbst aufbauen. Wem so ein Zelt reicht und wer es geschickt am Bike unterbringen kann, ist hiermit am besten beraten. Übt aber vorher, es anschließend wieder in die Packtasche hineinzubekommen.
Fazit und persönliche Empfehlung
Dein eigenes Zelt solltest du für dich persönlich auswählen. Es muss zu dir, deinem Geldbeutel und deinen eigenen Ansprüchen passen und muss dabei keinem Trend oder einer Werbung folgen. Sicherlich kannst du dich im Vorfeld belesen, dich im Fachgeschäft oder von verschiedenen Tutorials beraten lassen. Am Ende triffst du aber die Entscheidung im Idealfall ganz allein. Einmal entschieden solltest du zu deiner Entscheidung auch stehen und deinem Zelt eine Chance geben. Selbst wenn du beim ersten Bikepacking- Trip mit dem Zelt nicht so richtig warm wirst, heißt das noch lange nicht, dass du dich falsch entschieden hast. Jede Tour ist anders und jede Jahreszeit auch. Fakt ist: vor deiner ersten Tour solltest du dein Zelt mal auf- und abgebaut haben um dich damit anzufreunden. Stellt es sich für dich schwierig dar, wiederholst du den Auf- und Abbau einfach noch ein paar Mal. So wirst du zum Profi, was den Aufbau angeht und kennst dich bestens aus. Das hilft dir zum Beispiel auch bei Dunkelheit oder Starkregen. Da ist es immer gut, jeden Handgriff genau zu kennen. Ein fremdes oder auch ein neues Zelt braucht immer sehr lange bis es wirklich gut steht. Findest du Spaß am Bikepacking und stellst im Laufe der Zeit fest, dass dein erstes Zelt zwar anfangs deinen Ansprüchen genügte, aber du inzwischen „rausgewachsen“ bist, dann gibt es ja zum Glück noch viele andere Zelte auf dem Markt. Wähle jedoch gut überlegt. Teuer ist bei Outdoor- Equipment nicht automatisch auch gut. Und nur, weil alle anderen ein bestimmtes Zelt oder einen bestimmten Hersteller verwenden, heißt das nicht, dass auch du damit glücklich wirst. Jeder ist individuell, hat bestimmte Vorlieben oder kann auf bestimmte Dinge gut verzichten.